PASSAGEN IN PORTBOU
WALTER BENJAMIN UND DAS GEDÄCHTNIS DER NAMENLOSEN
Auf Schlauchboten übers Mittelmeer, zu Fuß, über meterhohe Stachelzäune, in Bussen, Sonderzügen fliehen Tausende auf lebensgefährlichen Passagen in Richtung Westeuropa. Sie retten sich vor Krieg, Armut, Verfolgung oder ökologischen Verwüstungen in ihren Heimatländern. Diese Menschen suchen und brauchen Schutz, doch in vielen Teilen Europas erfahren sie Haft, Hunger, Verelendung und heftige, nationalistisch gefärbte Abwehrhaltung. Diese bedrückende Situation in Europa wird Gegenstand der inhaltlichen Auseinandersetzung des Projekts darstellen.
Eine zweite inhaltliche Dimension ist mit dem katalonischen Grenzort Portbou verbunden. Die vom spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) hart geprüfte Stadt, war für viele, vor dem Franco-Regime Flüchtende, letzter spanischer Ort vor der ungewissen Grenzüberschreitung in das Frankreich des Vichy-Regimes.
WALTER BENJAMIN UND DAS GEDÄCHTNIS DER NAMENLOSEN
Am 25. September 1940 überquert Walter Benjamin, ein deutscher Philosoph auf der Flucht aus Nazi-Deutschland, mit einer Gruppe von Flüchtigen die Pyrenäen und erreicht Portbou. Spanische Grenzwächter verweigern Benjamin wegen des fehlenden Ausreisevisums aus Frankreich die Durchreise, gestatten ihm aber, vermutlich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes, die Nacht im Grenzort zu bleiben. Aus Verzweiflung nun zurückgeschickt zu werden, nimmt er sich am Abend des 26. Septembers das Leben. Er wird auf dem alten Friedhof in Portbou unmittelbar oberhalb des Meeres beerdigt. 1994 wurde dort ein berührender Gedenkort von dem israelischen Künstler Dani Karavan geschaffen. Eine Hommage an einen großen Denker der Moderne, der das Schicksal der Geflüchteten teilte.
VOM 24.06.18 - 8.07.18
Im Zeichen von Flucht, Asyl dem neuen europäischen Rechtspopulismus und Walter Benjamin sind junge Menschen aus aus Saarbrücken, Lothringen, Nantes, Sarajevo und Targu Jiu dazu eingeladen, zwei Wochen lang in Portbou (Spanien) miteinander zu leben, zu tanzen und nachzudenken. Untergebracht in einer Schule, trainieren die Jugendlichen täglich in leeren Klassenzimmern, Turnhalle und Innenhof. Uraufgeführt wurde das 60 minütige Tanztheaterstück erstmalig in Portbou.
SCHWERER IST ES, DAS GEDÄCHTNIS DES NAMENLOSEN ZU EHREN, ALS DAS DES BERÜHMTEN. DEM GEDÄCHTNIS DER NAMENLOSEN IST DIE HISTORISCHE KONSTRUKTION GEWEIHT.